Auf der Heimfahrt nach Deutschland müssen wir wieder über Kiew und Lemberg fahren. Der Kreis hat sich geschlossen.
Wir sind in Kiew und Valerij schleust uns durch die ganze Stadt. Von Ost nach West, wir müssen durch, wenn wir heim wollen. Die gute Autobahn von Kharkiv endet ungefähr beim Flughafen Kiew- Boryspil. Nicht mehr lange sehe ich Valerij vor mir herfahren. Schade, denke ich, war doch eine sehr schöne und interessante Reise.
Wir fahren diesmal eine andere Route als mit seinem Vater. Wir sind nochmals auf dem Kreschatik (Einkaufsstraße in Kiew), fahren mitten durch, am EM- Endspielstadion 2012 vorbei und erreichen die Ausfallstraße (E 40) nach Lemberg.
Dort verabschieden wir uns wehmütig von unseren ukrainischen Freunden. „Wir sehen uns wieder“ sagt Valerij. „Nächstes Jahr in Deutschland“. Das macht es uns leichter. Valerij biegt links ab; ich gerade aus. Wir fahren beide in Richtung Heimat.
Es wird dunkel, wir wollen wieder in Hoscha übernachten. An einer DAI- Station (Polizei- Station, erkennbar am Haus mit hohem Funkmast) hat einer mit einem schwarz-weißen Stab herumgefuchtelt und mich gestoppt. Da ich ihn nicht verstehe, winkt er mich aus dem Auto und führt mich zu einer Radarkamera. 70 km/h zeigt es an und ein Foto vom Hobby. Kein schönes Foto von einem Hobby 600, protestiere ich. 50 zeigt er mir mit den Fingern an und kritzelt Formeln auf einen Schmierzettel, die nicht einmal ein Mathematikprofessor versteht. Bei der Zahl 200 landet er und will die „Dokumenta“ sehen. Hoppla, ich mit meinem alten, grauen Lappen. Wenn er den nicht akzeptiert, muss ein Dolmetscher her. Es gibt Vereinbarungen zwischen der EU und der UA, dass der alte nationale Führerschein noch gilt. Hoffentlich weiß der das. Der graue Lappen ist einer der nationalen Führerscheine in Deutschland und gilt noch bis 2033. Er erkennt ihn aber an. Mehr scheinen ihn die 200 Hrywnja zu interessieren. In Deutschland „Straff“ 10 Euro, versuche ich zu handeln. Nein, er will 200 in bar. Die gebe ich ihm und er legt sie in einen einfachen Spiralblock. Ich fordere einen Beleg. „Nix Protokoll“ sagt er, „dawai, dawai… dobre dien…..“ Das lasse ich mir nicht zweimal sagen und verschwinde schnell mit meinen Papieren. Ins bayerische übersetzt heißt das „hau ab und Servus“. Später betrachte ich es als „Spende“; was tut man nicht alles für Not leidende Polizisten und schmunzle.
Das war übrigens die erste Begegnung mit der DAI und sogar freundlich und hilfsbereit, nicht streng und überheblich. Zu meiner Entschuldigung sei noch gesagt, da hätte kein unwissender Ausländer eine Chance gehabt. 90 … 70 …50 ….. alle 20 Meter ein Schild. Und dann noch mittendrin 30 für eine Tankstelleneinfahrt rechts. Ich habe ihn halt ausrollen lassen. Jetzt weiß ich, die Schilder stehen so an jeder Station. Wir übernachten wieder in Hoscha. Diesmal alleine und ohne Probleme. Wir gehen essen; natürlich Schaschlik. Am Morgen machen wir uns auf den Weg nach Lemberg und dann an die polnische Grenze.
Als wir an einem Friedhof vorbei fahren, mache ich eine für uns neue Beobachtung. An den meisten Gräbern steht eine Bank zum Verweilen. In Lemberg merke ich, es ist gar nicht so leicht sich ohne Führer Valerij zu Recht zu finden. Jetzt erst bemerke ich, dass die Richtungsschilder in der Stadt fehlen. Wir müssen nach Westen, da ist Polen. Ich fahre nach der Sonne, frage nach. „Poland, Premysl, Graniza Poland“ Man zeigt mir in etwa die Richtung. Ich finde eine Ausfallstraße und komme an das EM- Stadion. Nun kenne ich mich wieder aus und bin auf der E 40 Richtung Polen. Dann eine Brückenabzeigung ohne Wegweiser. Ich halte an und will auf die Karte schauen. Schon ist ein DAI- Polizist da und redet auf mich ein. Ich zucke mit den Achseln und deute unentwegt in der Karte auf Polen hin. Er merkt, dass ich mich auf nichts einlasse und dann wieder: „dawai, dawai“ sagt er mürrisch. Vielleicht hatte er mehr erwartet? Fluchtartig fahre ich weiter geradeaus und bin zum Glück auf der richtigen Straße nach Polen.
Ukrainische Bahnübergänge sollte man unbedingt langsam überfahren, sonst springen die Tassen und Töpfe und es ist eine laute Tirade von meiner Frau zu hören. Also fahre ich auch dem Hobby zu Liebe lieber piano. Es geht ländlich zu, bis wir durch Horodok, die letzte größere Stadt in der Ukraine, an die Grenze kommen.
Diesmal hatten wir mehrere Autos vor uns und es dauerte inklusive Zollkontrolle im Wagen ca. 50 Minuten. Die „Trödler“ waren die Polen. Im „Niemandsland“ stauten sich die Autos, nichts ging weiter. Der ukrainische Zöllner deutete immer wieder auf zwei Stangen Zigaretten hin und redete unaufhörlich. Wir verstanden nichts, sollten es aber auf polnischer Seite erfahren. Wir stehen vor der polnischen Abfertigung. Die Pässe werden eingesammelt und mit in das Zollhäuschen genommen. Als wir aufgerufen werden, nimmt meine Frau die zwei Stangen Zigaretten zum Vorzeigen mit. Auf einmal wird der Zöllner hinter der Glasscheibe unleidlich und kann nur noch polnisch. Er reißt die Stangen auf und gibt zwei Schachteln pro Person frei und zurück. Für die anderen Packungen soll sie Strafzoll zahlen und behält sie ein. Nur noch auf dem Luftweg sei seit einem halben Jahr eine Stange erlaubt. Er schreibt; es dauert. Es dauert; er schreibt. Nach einer Stunde kommt er endlich aus seinem Häuschen. „Follow me“ meint er und geleitet uns dreihundert Meter zu einer Halle mit Grube und Hebebühnen. Vor verschlossenem Tor warten wir wieder. Es dauert. Das Tor geht auf und ich soll über die Grube fahren. Es dauert. Dann kommen zwei jüngere Beamte. Es stellt sich heraus, der eine kann ein bisschen deutsch und englisch. Ich erkläre in beiden Sprachen, dass wir das nicht gewusst haben und nicht mehr dabei haben. Inzwischen kommt meine Frau vom „Gassi gehen“ mit unserem Hund im Zollhof zurück (hoffentlich hat er da anständig gepinkelt). Der Zöllner will noch ein Dokument, das im Auto ist. Da drückt sie ihm kurzerhand die Hundeleine in die Hand und will es holen. Der Zöllner ist zuerst verdutzt, dann erstaunt und schließlich lacht er. Die Lage war entspannter. Trotzdem will er noch ins Auto. Er macht einen Oberschrank auf und wieder zu, schaut einmal in die Runde und will noch unter die Motorhaube sehen. Er klopft links und rechts innerhalb an die Kotflügel. Das war’s dann. Eigentlich wollte ich jetzt was fragen, aber ich halte lieber die Klappe. Wir wollen die Pässe und Papiere zurück. Die hat der „Andere“. Es dauert. Endlich hat er alles, macht das Tor auf und wir fahren raus. Es dauert. Meine Frau bekommt einen Zettel und soll im Nebengebäude 105 Euro bezahlen. Sie geht hin. Es dauert. Sie nehmen keine Euro, sie soll Zloty im Kantor holen. Es dauert. Nun kann sie zahlen. Es dauert. Mit vier Zetteln Protokoll kommt sie zurück und die letzte Schranke geht auf, wir sind in „Freiheit“. Über vier Stunden hat es „gedauert“ und nun ist es 22:30 Uhr.
Von der Grenze bis nach Přemysl sind es 10 km. Zwei davon stehen Autos, die in die Ukraine wollen, in einer Schlange vor der Grenze. Na bravo, denke ich.
Ein freundlicher Tankwart tauscht mir in Přemysl spät abends 50 Euro in 210 Zloty. Ein sehr guter Kurs und ich gebe ihm dafür 5 Euro Trinkgeld. Ich bin noch zornig und deshalb muss das Geld in Polen zur Durchreise reichen. Es nieselt und wir stellen uns auf eine lange Fahrt in der Nacht ein. Doch nach 50 km sehe ich am Ortsende von Przeworsk zufällig ein beleuchtetes Campingplatzschild. Rezeption und Restaurant sind geschlossen, aber die Schranke ist auf. Ich fahre einfach rein und stelle mich neben zwei französische Wohnwagen. Erst um 0:48 Uhr mache ich das Licht aus. Am nächsten Morgen kommt der Besitzer und klopft ans Fenster. „Sie schulden mir 12 Euro“, meint er. Ich zahle und fahre weiter Richtung Breslau. Kurz vor Krakau wird die E 40 zur Autobahn. Von der Grenze bis hierher waren es teilweise schlechte Straßen, Ortsdurchfahrten oder ewig lange Baustellen mit Ampeln. Die E 40 soll bis zur Ukraine erst noch als Autobahn ausgebaut werden. Übrigens für Neugierige: Die E 40 ist mit über 8000 km die längste Europa-Straße. Sie beginnt in Calais (F) und endet in Ridder (Kasachstan).
Wir sind endlich wieder auf einer vernünftigen Autobahn. Meine Frau und der Hobby schnurren zufrieden vor sich hin. Wir kommen an Kattowitz vorbei. Kattowitz ist mit der oberschlesischen Steinkohle eng verbunden. Man erzählt, sie sei besser als die Kohle aus dem Ruhrgebiet.
Wir sind in Breslau, meiner Geburtsstadt. Hier bin ich öfters. Am besten gefällt mir der neu restaurierte Hauptbahnhof; was die EM nicht alles möglich machte! In Breslau suchen wir am Samstagabend einen Campingplatz. An einer Tankstelle schickt man uns zum Olympia Stadion, da wäre einer. Durch Baustellen und Einbahnstraßen genervt, fahre ich immer im Kreis. Ich frage einen Polen. Der wollte zum Dämmerschoppen. „Das ist jetzt durch die Baustellen sehr schwierig. Warte hier“, meint er. Er kommt mit einem Benz und führt uns 20 Minuten lang durch Umleitungen und Baustellen zum Platz. Er habe einmal ein Jahr in Hamburg gearbeitet, lässt er uns wissen. Da habe er auch nicht gleich alles gefunden. So etwas gibt es auch.
Von Breslau bis nach Hause sind es ungefähr 560 Kilometer. Die donnern wir am nächsten Tag auf der Autobahn durch. Wir wollen nach Hause.
In der Nähe von Bautzen trifft uns während der Fahrt fast nochmals der Schlag. Der Hund ist auch nicht zu finden. Er ist zu seinen Futterdosen unter der hinteren Sitzbank gekrochen. Was war los? Valerij hat uns zum Abschied noch 3 Liter selbst gemachtes Fruchtsaft- Getränk mitgegeben. Das gärte und dann ein lauter Bums. Am nächsten Autobahnparkplatz war Putznotdienst angesagt. Ich glaubte, ich steckte in einem Sauerkrautfass. Der säuerliche Duft hat sich aber wieder verzogen.
Das war dann auch der letzte Eindruck von unserem Trip. Wir sind wieder Daheim.
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