Donzdorf, Mittwoch 18. Juni 2014 | Das Wohnmobil, versehen mit einer brandneuen TÜV – Plakette und frischer Gasprüfung, ist gepackt. Nur noch schnell die verderblichen Lebensmittel und die Toilettenartikel verstaut und den Schlüssel gedreht – jetzt ist Urlaub. Lang ersehnt und bitter nötig. Das ist eines der schönsten Dinge beim WoMo – Urlaub: Sowie man im Mobil sitzt beginnt die Erholung.
Unsere erste Etappe führt uns – wie immer wenn es nach Italien geht – in das herrliche Algund im südtiroler Etschtal. Seit Jahrzehnten lieben wir dieses beschauliche Gartendorf vor den Toren Merans. Früher als Stammgäste im Tirolerhof der Familie Bacher, heute mit dem Camper.
Unser „Stammplatz“ befindet sich traditionell auf dem Parkplatz vor dem Friedhof, kein offizieller Stellplatz, aber nachts ohne Probleme zum Stehen zu nutzen. Ruhig – bei der Nachbarschaft eigentlich selbstverständlich – schattig und zentral gelegen, Während der Öffnungszeiten des Friedhofs steht eine sehr gepflegte Toilette samt Waschbecken zur Verfügung. Und – für uns fast das Wichtigste: Der Tirolerhof ist in wenigen Minuten zu Fuß zu erreichen.
Über Ulm und die „Bodensee – Autobahn“ via Pfänder- und Arlbergtunnel und danach über den Reschenpass erreichen wir den Vintschgau staufrei und ohne Störungen gegen 17.oo Uhr.
Genau die richtige Zeit. Schnell das Auto geparkt und nivelliert, die Vorbereitungen für die Nacht getroffen und dann – pünktlich zur Abendessenszeit auf der mit Weinranken überwachsenen Terrasse des Tirolerhofs zu einem ersten frisch gezapften, kühlen Birra Forst Platz genommen.
Wir freuen uns auf ein Wiedersehen mit all den lieben Menschen, die dieses kleine Hotel zu dem gemacht haben, was es ist. Man ist dort keineswegs Gast, sondern fühlt sich zu Hause, bei Freunden. Erika und Franz Bacher, die mit Trisomie belastete Tochter Therese Marie, der Koch Walter und natürlich die Paula, Franz Bachers Schwester. ….. Sie alle füllen dieses Haus mit Leben und einer einmaligen Herzlichkeit.
Doch wir sollten auf schlimme Weise enttäuscht werden. Alles sah aus wie immer. Sauber, gepflegt, heimelig. Das Personal wie gewohnt aufmerksam und von natürlicher Herzlichkeit. Nur von der Familie Bacher war weit und breit nichts zu sehen. Auf Nachfrage teilte uns die Dame an der Rezeption mit, dass momentan nur die Tochter im Hause sei.
Kurz darauf erschien sie auch und erinnerte sich – wir waren immerhin 5 Jahre nicht mehr in Algund – sofort an uns.
Nach einem vortrefflichen Abendessen, Salate vom Buffet, einem herrlichen Zitronenrisotto und zarten, saftigen Hühnerbrüstchen mit Kartoffeltalern und marktfrischem Gemüsen gefolgt von köstlichen, hausgemachten Eisvariationen war es natürlich an der Zeit, den Walter in der Küche zu besuchen, ihn zu begrüßen und uns für das gewohnt delikate Essen zu bedanken.
Er hat sich dann auch riesig gefreut, uns in die Arme genommen und die Lobgesänge mit einer Mischung aus Stolz und Verlegenheit entgegen genommen.
Erst als wir ihn nach seinem Chef Franz Bacher fragten, wurde er still und sah uns betreten an. „ja wisst Ihr denn nicht, dass unser Franz in Jenner verstorben ischt?“ fragte er ungläubig in seinem Tiroler Dialekt. Wir waren zu keinem Kommentar fähig, aber alle drei, wir Beide und der Walter, bekamen wir feuchte Augen. Die unzähligen Erlebnisse, die schönen Stunden die wir zusammen verbracht hatten, die langen Nächte unter den Weinreben oder in der gemütlichen Bar zogen an unserem geistigen Auge vorbei. Die ausgelassene Urlaubsstimmung hatte also ihren Dämpfer erhalten. Der liebe Franz hatte den Kampf gegen den Krebs mit gerade mal 60 Jahren endgültig verloren. Mit zwei Gläsern schwerem, hervorragendem Südtiroler Cabernet Sauivignon verabschiedeten wir uns trübsinnig und in Gedanken an die langjährige Freundschaft von diesem bemerkenswerten Menschen, nicht ohne uns vorzunehmen, ihm am nächsten Morgen auf dem Friedhof noch mal die letzte Ehre zu erweisen.
Algund, 19. Juni 2014 | Die lange Fahrt in der Junihitze, das hervorragende Essen, die himmlische Ruhe unseres Stellplatzes und wohl auch der Cabernet bescherten uns eine tiefe, erholsame Nachtruhe. Nach dem ersten Kaffee und der ersten Zigarette vor dem rollenden Heim – ein Ritual, welches für mich zum Urlaub gehört wie mein amerikanischer Lederhut – wurde noch ein kräftiges Frühstück eingenommen um danach unser gestriges Versprechen einzulösen. Mühelos fanden wir die letzte Ruhestätte unseres Freundes auf dem kleinen Algunder Friedhof und gedachten noch mal seiner und den schönen gemeinsamen Zeiten.
Doch dann verscheuchten wir – es wäre in seinem Sinne gewesen - die trüben Gedanken, starteten unseren alten Diesel und machten uns auf „zu neuen Ufern“ wie man so sagt. Obwohl diese gar nicht sooo neu waren.
Nach Toscolano Maderno am wunderschönen Lago di Garda sollte die Fahrt heute gehen. Dort standen schon seit 14 Tagen unsere alten Camperfreunde Elke und Stefan mit ihrem Carthago und hatten uns einen Platz neben ihnen reserviert. Kurz vor Mittag kamen wir, nach einer ruhigen Fahrt dann auch dort an, fanden den reservierten Platz sofort und begannen, da außer uns kein Mensch da war – alle besuchten den heute stattfindenden Markt – mit den notwendigen Arbeiten für einen 3-tägigen Aufenthalt. Fahrzeug ausrichten, Möbel auspacken, Grill schon mal vorbereiten, die Markise ´raus und dann – auch so ein Ritual – das erste kalte Bier. Das Zischen müsste man eigentlich bis nach Hause gehört haben.
Kaum war der erste Durst gelöscht, tauchten auch unsere Freunde auf. Viel Hallo und Begrüßungsfreude. Dann noch ein kühles Bad im herrlichen Gardasee, ein ausgedehntes Mittagsschläfchen und anschließend drei Grills voll Tintenfische mit Baguette und Salaten verzehrt.
Glücklicher Weise waren die Pulpos von bester Qualität. So blieb uns das Schicksal des alten Diogenes erspart der angeblich durch ein verdorbenes Exemplar dieser Gattung sein Leben beendet sah. Zur Vorsicht legten wir den Kopffüßler – nachdem wir ihn verzehrt hatten – noch gründlich in Alkohol ein, so dass er uns ruhig schlafen ließ.
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